Bremsen

Wer leicht in Fahrt kommt, sollte seine Bremsen überprüfen.
— Sylvia Schubert

03.02.2025

Sofia geht es nach der zweiten Nacht im Pangolin-Rescue-Center zwar besser, doch sie fühlt sich nach wie vor zu schwach, um Fahrrad zu fahren. So fragen wir Joseph vom Center, ob jemand unsere Fahrräder und uns mit dem Auto durch den Bwindi-Nationalpark fahren könnte. Er bejaht, es werde ein Fahrer mit genügend grossem Auto vom nahgelegenen Dorf kommen, für 100 Dollar. Die Fahrt dauere vier Stunden. Der Preis erscheint uns angesichts des örtlichen Preisniveaus zwar eher teuer, doch bleibt uns nichts anderes übrig als einzuwilligen, wollen wir doch Sam und Anja in Rushaga wieder einholen, um gemeinsam auf einem Trekking Gorillas zu beobachten. Beim Autobeladen entfernen wir unsere Vorderräder, um die zwei Zwei-, respektive nun vier Einräder, mitsamt Gepäck irgendwie ins Auto zu bekommen.

Das Tetris-Spiel gelingt knapp.

Als wir uns von Joseph verabschieden möchten, winkt er ab. Er fahre auch mit. Was? Damit haben wir nicht gerechnet. Davon war nie die Rede. Auch auf Nachfrage wird uns nicht klar, weshalb er mitfahren möchte. Nun gut, macht die Fahrt jedenfalls nicht angenehmer. Wobei ich mich nicht beklagen kann, bekomme ich doch wegen meinen langen Beinen den Beifahrersitz. Wegen des über meinem Sitz hervorstechenden Fahrradrückspiegel kann ich zwar auch nicht ganz gerade sitzen, dennoch schaue ich ab und zu mit etwas schlechtem Gewissen nach hinten zum Taschen-Beine-Sofia-Fahrrad-Salat und frage, ob alles okay sei.

Der Bwindi-Nationalpark erweist sich mit seinem Regenwald als wunderschön.

So schade, sind wir durch Sofias Lebensmittelvergiftung ausgebremst worden. Nur zu gern würde ich diese Strecke unter die eigenen Räder nehmen. Ich versuche das Beste daraus zu machen und die atemberaubende Schönheit dieses Ökosystems fotografisch so gut es geht aus dem Auto heraus einzufangen.

Erst geht es an der Grenze des Nationalparks durch hüglige Ackerfelder, dann durch das grüne Meer aus hohen Bäumen, Sträuchern, Moos und verspielt von den Bäumen herunterhängenden Lianen, Luftwurzeln und Orchideen hoch. Teilweise stehen die Pflanzen so nah aneinander, dass das Blätterdach nur wenig Sonnenlicht durchlässt. Auf der anderen Seite geht es wieder runter.

Als wir bereits aus dem Regenwald sind, qualmt plötzlich Rauch von vorne hoch. Es sind die Bremsen des linken Vorderrades.

Kurzerhand demontiert unser Fahrer das Rad, stopft etwas Plastik eingeweicht in Spülmittel zwischen Bremse und Bremsscheibe und schraubt das Rad wieder an. Nicht sehr vertrauenswürdig. Wir fahren nur noch langsam. Es geht weiter bergab. Das Auto quietscht. Die noch funktionierende Bremse muss einiges an Mehrlast übernehmen.

Und dann kommt eine Polizeikontrolle. Oh Gott, es ist ziemlich offensichtlich, dass unser Auto nicht wirklich fahrtüchtig ist. Unser Fahrer macht gegenüber dem Polizisten ein Handzeichen, als würde er einige Meter weiter anhalten wollen. Und fährt dann einfach weiter! Den Polizisten scheint dies nicht zu stören, jedenfalls folgt er uns nicht. War das einfach nur Glück?

Auf dem Weg sehen wir Kinder im Schulalter, die mit einem Hammer Steine zertrümmern. Es zertrümmert unsere Herzen.

Sie sollten in der Schule sein und nicht bereits einer Arbeit nachgehen. Und schon gar nicht einer solch körperlich harten Arbeit. Im Gegensatz zum Beispiel zu Ruanda kostet der Schulbesuch in Uganda einiges. Nicht alle Eltern können sich das Schulgeld leisten respektive sind auf ein zusätzliches Einkommen angewiesen.

So werden diese jungen Menschen ausgebremst, bevor ihr Leben überhaupt wirklich begonnen hat. Traurig.

Schlussendlich kommen wir an. Auf unseren Körpern eine rötliche Staubschicht, das Auto war nicht ganz dicht. Das Erfrischungstuch der Unterkunft zur Begrüssung wird für uns zum Waschtuch. Unglaubliche acht Stunden hat die Fahrt gedauert.

Ironischerweise war es die kaputte Bremse, die uns ziemlich gebremst hat.

Kaum zu bremsen sind dagegen die Tänzerinnen, die am Abend auf dem Campingplatz tanzen kommen, um etwas Geld zu verdienen. Es sind indigene Pygmäen. Uns widert eine solche Show allerdings eher an, entspricht es doch dem gängigen Klischee des Verhältnisses zwischen Weiss und Schwarz und wirkt unseres Erachtens erniedrigend.

Auf dem Zeltplatz treffen wir auch Sam und Anja wieder. Nach dem Nachtessen sind wir nach diesem Tag nicht mehr zu bremsen für ins Zelt, wo uns der Schlaf rasch übermannt.

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