Strapazen

Auch aus Steinen, die dir in den Weg gelegt werden, kannst du etwas Schönes bauen.
— Erich Kästner

16.02.2025

Bei starkem Regen geht es auf ungeteerten Strassen weiter Richtung Südosten. Es ist kalt. Der Schlamm spritzt unsere Fahrräder und diese uns voll.

Nach einem Pfützen Slalom kommen wir anstatt braungebrannt und verschwitzt braunverspritzt in Colline Gatete an, wo der Regen langsam aufhört und eine asphaltierte Strasse beginnt.

Bei einer Tankstelle fragen wir nach Waschmöglichkeiten.

Wir werden hinter ein Gebäude geführt, wo sich sieben Männer sofort motiviert an die Arbeit machen. Ausgerüstet mit Bambusrohren und Seife holen sie mit Eimern Wasser vom Bach nebenan und schruppen wie verrückt. Mir werden sogar noch die Schuhe und Taschen gewaschen. Was für ein Service! Die engagierte Gruppe möchte fast nicht mehr aufhören, jeder einzelne Fleck wird weggefegt.

So sauber waren die Fahrräder wohl noch nie.

Wir bezahlen die vereinbarten umgerechnet zwei Franken und geben ein Trinkgeld obendrauf. Glänzend erreichen wir das einzige Hotel weit und breit, wo wir heute unsere Nacht verbringen möchten.

Das Haus ist ziemlich in die Jahre gekommen.

Sam und ich gehen rein, um für Zimmer zu fragen, während die beiden Mädels bei den Fahrrädern bleiben. Zwei Zimmer? Da müssten sie schauen, ob sie das noch frei haben, wird uns entgegnet. Nachdem dies dann doch bejaht wurde, uns die beiden einfachen Zimmer mit je einem Doppelbett gezeigt wurden und auch die Preis- und Fahrradabstell-Frage geklärt war, holen wir die beiden Frauen dazu, die wir bei der Zimmerfrage nicht erwähnt haben. Plötzlich meinen die Angestellten, dass wir zu viert vier Zimmer bräuchten.

Erst waren sie sich nicht sicher, ob sie zwei Zimmer haben und nun wollen sie uns plötzlich vier vermieten?

Höflich teilen wir ihnen mit, dass wir verheiratet seien und deshalb je zu zweit im Zimmer sein möchten. Schlussendlich akzeptieren sie das. Unklar bleibt dabei, ob dieses Hin und Her der englischsprachlichen Limitierung geschuldet war oder was sonst dahintersteckte. In einem Waschraum mit abgestandener Luft koche ich Pasta für alle. Vor dem Einschlafen buchen Sofia und ich unsere Airbnb-Unterkunft in Kigali für am nächsten Tag. Sam und Anja haben für sich schon seit längerem eine Warmshower-Unterkunft organisiert.

Nächster Morgen: Ich wache mit Fieber auf.

Trotzdem sollten wir es heute, wenn irgendwie möglich, nach Kigali schaffen, die Unterkunft ist gebucht. So steht mir ein harter Tag bevor, die fast 1000 Höhenmeter interessiert es nicht, dass sich mein Körper mit erhöhter Temperatur gegen Krankheitserreger wehrt. Anfangs zu viert, fahren uns Sam und Anja auf dem hügligen Weg in die Hauptstadt Ruandas immer wieder davon und warten dann wieder auf uns, bis wir sie irgendwann nicht mehr einholen.

Obwohl ein Schild am Transporter darauf hinweist, dass verboten, lasse ich mich von dem Gefährt für einige hundert Meter bergauf ziehen.

Wir fahren ohne Mittagessen durch, bis wir am frühen Nachmittag Kigali erreichen. Obwohl das Fieber mittlerweile weg ist: Am Rande der Stadt habe ich keinerlei Energie mehr. Ich muss mich an den Strassenrand setzen. Eine Avocado und Pepsi später kann ich nochmals etwas Energie mobilisieren, um auch den letzten Hügel hin zu einem indischen Restaurant zu meistern. Wir bestellen grosszügig.

Marie und Steven wohnen in einem noblen Quartier der Stadt. Sie sind unsere Airbnb-Gastgeber für ein paar Tage. Eine richtige Dusche mit Warmwasser und gutem Wasserdruck! Herdplatten zur Mitbenützung! Die erste Waschmaschine seit rund einem Monat! Was in der Schweiz eine Selbstverständlichkeit darstellt, sind wir uns fast gar nicht mehr gewohnt.

Nach all den Strapazen der letzten Tage fühlen wir uns in unserer Unterkunft im siebten Himmel.

Erholung ist angesagt. Auch unsere Fahrräder haben etwas Zuwendung verdient.

Insbesondere meines, das bereits seit dem Oman komische Geräusche von sich gibt. Wir bringen sie zu einem uns empfohlenen Fahrradmechaniker in der Stadt. Dieser stellt fest, dass meine Hinterradachse komplett durchgebrochen ist. Gut 1000 Kilometer bin ich also ohne voll funktionsfähige Hinterradachse gefahren. 1000 Kilometer, bei denen ich immer wieder das Gefühl hatte, an Leistungsvermögen eingebüsst zu haben, obwohl sich dieses mit dem täglichen Training tendenziell ja eher erhöhen sollte. Deshalb fühlten sich diese Kilometer so strapaziös an.

Ich hätte Glück gehabt, das Fahrrad hätte auch abrupt stoppen und nicht mehr fahren können.

Vor Ort eine Ersatz-Originalachse her zu kriegen sei unmöglich. Ein Zusenden aus Europa dauere gut eine Woche und koste ungefähr so viel wie die Ersatzachse selbst. Mein Glück: Der Mechaniker ist ein ziemlicher Fahrradfreak. Vom meisten, dass er bezüglich der Ersatzachse von sich gibt, verstehe ich nur Bahnhof. Der gute Mann aus England recherchiert nach Alternativen. Wenn einer eine Lösung findet, dann er, denke ich mir. Eine gefühlsmässige Achterbahnfahrt beginnt. Mal meint er eine Lösung gefunden zu haben. Dann klappt das doch nicht. Dann eine neue Idee, neue aufkeimende Hoffnung, die sich bald darauf wieder in Luft auflöst.

Doch schlussendlich findet er sie - die Lösung. Respektive die Ersatzachse, die für mein Fahrrad passt und die er von einem anderen Mechaniker der Stadt abkaufen kann.

Er montiert alles innert ein paar Stunden. Ich bin heilfroh, zwingt uns dieser Bruch nicht zu einer längeren Pause. .

Ich müsse das Gewicht meiner Hintertaschen verringern, meint unser Heilbringer, ich sei zu schwer unterwegs. Wieder zuhause versuchen wir durch Umpacken das Gewicht meine beiden Hintertaschen zu minimieren. So versprechen die nächsten Fahrradtage für mich weniger strapaziös zu werden.

Weiter
Weiter

Follower