Money

Geld bereichert nicht.
— Georg-Wilhelm Exler

05.02.2025

"Give me money".

Diesen Satz hören wir beim Vorbeifahren immer wieder. Vor allem von den unzähligen Kindern am Strassenrand. Manchmal mit einem Lachen. Manchmal mit todernster Miene. Einige scheinen gar nicht zu wissen, was es bedeutet, sondern scheinen den Satz einfach von Anderen zu kopieren und zu denken, es sei eine Begrüssung.

Es gibt auch Variationen wie "give me my money", "give me bag" oder "give me bicycle". Tasche oder Fahrrad können wir natürlich sowieso nicht verschenken, doch auch Geld geben wir nach einer solchen Aufforderung nie. Offenbar tun dies andere, sonst würde kaum so oft danach gefragt werden. Häufig geben wir Essen oder Wasser (und zu Beginn auch noch Kleider). Meist aber antworten wir mit einer Begrüssung und einem Lächeln, manchmal entgegnen wir "give me five", "give me energy" oder einfach auch "give me money". Doch: Tagtäglich so viel Armut zu sehen tut weh. Der Umgang damit fällt uns schwer. Es macht uns nachdenklich. Wieso ist die Welt so ungerecht? Wieso bietet sie so ungleiche Chancen?

Heute fühlen wir uns besonders unwillkommen. Nach der endgültigen Verabschiedung von Sam und Anja, sie haben eine andere Route vor als wir, nehmen wir einige Höhenmeter unter die Räder. Wieder sehen wir Kinder arbeiten. Dabei werden wir von einigen nicht nur nach Geld gefragt, sondern auch mit Steinen beworfen. Auch die Blicke sind teilweise feindselig.

In der Reflexion können wir gewisses Verständnis für das Verhalten aufbringen. Hierher kommt man als Tourist, um für 800 Dollar eine Stunde lang Gorillas zu beobachten. 800 Dollar, für dieses Geld könnte ein Kind in Uganda vier Jahre lang zur Grundschule. Doch viele Eltern können sich das nicht leisten. Erschwerend kommt dazu, dass das indigene Volk der Pygmäen aus dem Bwindi-Naionalpark vertrieben wurden, um die Gorillas zu schützen. Vertrieben aus dem eigenen Lebensraum, ein Schicksal, das leider viele indigene Völker weltweit verbindet. Sie leben nun hier auf den Hügeln ausserhalb des Nationalparks oder am Lake Bunyonyi, unserem heutigen Ziel. Dieses Gefälle zwischen ihnen und uns, zwischen Afrika und Europa; es ist grösser als die steil abfallende hiesige Hügellandschaft. Und es ist schwierig auszuhalten für uns.

Wir kommen in Muko an, als es zu regnen beginnt. Gutes Timing für eine Mittagspause mit Rolex. Wir nutzen die Pause auch, um unseren Kocher mit neuem Benzin füllen und unsere kaputte Zeltstange schweissen zu lassen. Leider hält sie nur bis zum nächsten Gebrauch, wie sich später herausstellen wird.

Wenn es in Afrika regnet, dann meist heftig, aber kurz. So können wir schon bald weiterfahren und erreichen das Ufer des Lake Bunyonyi. Entlang des Sees wurde viel Wald gerodet. Die Bevölkerung wächst, es braucht mehr Ackerland.

Die Fahrt entlang des Sees ist dennoch wunderschön.

Es steht uns ein letzter langer Anstieg am heutigen Tag bevor. Die vielen Höhenmeter zehren an unseren Kräften.

Als wir während dem Anstieg wiederum von einem Kind nach Geld gefragt werden, entgegnet Sofia aus Erschöpfung harsch: "Stop asking for money. Go home!". Das Kind reisst darauf einen langen, dünnen Ast ab und läuft damit bedrohlich hinter uns her. Wir fühlen uns wie getriebene Lastesel. Ein Erwachsener in Gegenrichtung beobachtet die Szenerie und weisst den Jüngling mit lauter Stimme zurecht. Mit Erfolg, das Kind lässt ab von uns.

Die Aussicht Ende Aufstieg ist grandios. Hügelmeer gespickt mit hunderten Häuschen, dazwischen liegt ruhig der See.

Langsam dunkelt es ein. Wir realisieren, dass unsere geplante Unterkunft nur mit Boot zu erreichen ist. Auf dem Weg zum Boot finden wir uns auf einem schmalen Pfad wieder. Erneut folgen uns Jugendliche nach erfolgloser "Money-Frage", diesmal mit einer Machete in der Hand. Es scheint eine Art Spiel für sie zu sein. Auf dem holprigen Weg verliere ich Bananen. Zu unserer positiven Überraschung geben uns die Jugendlichen diese anstandslos zurück. Als Dank dafür kriegt jeder von ihnen eine geschenkt. Wir erreichen die Bootsanlegestelle, wo wir nach unserem Interesse an einer morgigen Insel-Bootstour gefragt werden und uns die Telefonnummer von Ephraim geben lassen.

Die Nacht verbringen wir in einem kleinen Häuschen direkt am Wasser.

29 Insel hat der zweittiefste See Afrikas.

Die Tour mit Ephraim am nächsten Tag führt uns vorbei an einer Insel, auf der früher unverheiratete schwangere Frauen ausgesetzt wurden und entweder starben oder ans andere Ufer schwimmen konnten, wo ihre Busse dann vergolten war. Wir sehen eine Insel im Privatbesitz, ein ehemaliger Bankchef hat hier sein Haus darauf gebaut und sich für seinen Garten rundherum Tiere aus dem Queen Elizabeth Nationalpark holen lassen. So sehen wir Impalas, Zebras und Wasserböcke.

Und dann besuchen wir auch noch eine Schule auf einer weiteren Insel. Es war früher ein Krankenhaus für Pest-Erkrankte. Es seien noch nicht alle Schülerinnen und Schüler zurück aus den Ferien, da noch nicht alle das Schulgeld bezahlen konnten. Von einem Typen ausserhalb der Schule werden wir nach Geld gefragt. Dann fragt uns auch der Schulleiter nach einer Spende für die Schule und zuletzt kommt auch noch ein Schüler auf uns zu, ob wir nicht für seinen Fussballclub spenden könnten.

Money, Money, Money - Wir fühlen uns wie auf einer Spendentour.

Gut haben wir auf den Besuch der Pygmäen am Seeende verzichtet. Auch dort wäre es wohl in erster Linie um Spenden gegangen. Und wie wir erzählt bekommen, wird das Geld, das man ihnen gibt, bevorzugt in Alkohol investiert. Besuchen könne man sie nur am Morgen, ab Nachmittag seien alle im Pub. Der Umgang mit dem Geld - ein anspruchsvoller Balanceakt, bei dem es uns immer wieder schwerfällt, den richtigen Weg zu finden.

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